Home | Kontakt | Sitemap | Login | EN | Diese Seite drucken | | PDA-optimierte Ansicht

Mathematisch-naturwissenschaftliche Fakultät

Studium
Forschung
Öffentlichkeit
Über uns
Services
Schulangebote
Science Alumni
Intranet 

News-Detailansicht

08.10.2010 08:40

Von echten und unechten Halswirbeln: Wie das Faultier zu seinen Halswirbeln kam

Säugetiere sind für ihren starren Wirbelsäulenbauplan bekannt. Nur wenige Tierarten, darunter die Faultiere, weichen davon ab. Jetzt konnte ein internationales Team in Zusammenarbeit mit einem Paläontologen der Universität Zürich klären, weshalb Faultiere im Gegensatz zu anderen Säugetieren nicht sieben, sondern acht bis zehn Halswirbel haben.


Variantenreich – wenn es um den Wirbelsäulenbauplan geht, weisen Vögel, Schlangen, Echsen und viele andere Tiere einen geradezu erstaunlichen Variantenreichtum auf. So hat ein Schwan beispielsweise doppelt so viele Halswirbel wie ein Singvogel. Ganz anders sieht es bei Säugetieren aus: Trotz ihres langen Halses hat eine Giraffe gleich viele Halswirbel wie ein Mensch, eine Maus, ein Elefant oder ein Gürteltier – nämlich exakt sieben. Unter den rund 5000 Säugetierarten gibt es nur wenige, die eine andere Anzahl Halswirbel aufweisen. Zu diesen Ausnahmen gehören die Faultiere. Sie haben im Halsbereich acht bis zehn rippenlose Wirbel, die traditionellerweise und in Analogie zu den übrigen Säugetieren als Halswirbel bezeichnet werden. Unter Halswirbeln werden in der Anatomie definitionsgemäss jene Wirbel verstanden, die oberhalb des Schultergürtels liegen. Merkmale für Brustwirbel dagegen sind deren Rippenfortsätze. In einer kürzlich veröffentlichen Studie ging eine internationale Forschungsgruppe, darunter Prof. Marcelo R. Sánchez von der Universität Zürich und zwei ehemalige Doktorandinnen von ihm, erstmals der Frage nach, ob entstehungsgeschichtliche Unterschiede beim Verknöcherungsprozess für das Abweichen der Faultiere vom regulären Wirbelsäulenbauplan der Säuger verantwortlich sein könnten.

Brustwirbel sekundär zu Halswirbeln umgestaltet
Die Wissenschaftler erforschten die Verknöcherungsprozesse von Hals- und Brustwirbeln. In der Folge konnten sie nachweisen, dass bei allen Säugetieren die Verknöcherung der obersten Brustwirbel jeweils vor der Verknöcherung der Halswirbel stattfindet. Einzige Ausnahme: Faultiere. Bei den sogenannten Dreifinger-Faultieren findet die Verknöcherung der Rumpf- und der rippenlosen Halswirbel vor der Verknöcherung der Wirbel des Brustkorbs statt. Dabei machten die Forscher eine erstaunliche Entdeckung: Die untersten beiden «Halswirbel» von Faultieren weisen in ihrer Entstehung eine grosse Ähnlichkeit mit Brustwirbeln auf, sind aber im Unterschied zu diesen ohne Rippen. Entstehungsgeschichtlich sind die beiden untersten Wirbel im Halsbereich von Faultieren nichts anderes als rippenlose Brustwirbel. Damit reduziert sich für Faultiere die Anzahl echter Halswirbel auf sieben. Folglich weist selbst diese Tierart den für Säugetiere typischen konservativen Wirbelsäulenbauplan auf.

Die neuen Forschungsresultate unterstützen die These, dass Wirbel, Glieder und zumindest Teile des Brustkorbs unterschiedliche embryonale Ursprünge haben. Bei Dreifinger-Faultieren sind die Position von Schulter, Becken und Brustkorb von einander abhängig. Im Vergleich zu den Vorfahren, die sie mit anderen Säugetieren teilen, sind deren Positionen auf der Wirbelsäule nach unten verschoben worden, um so den Hals länger machen zu können.


MNF auf Social Media